Musikalische Fluchten

03 August 2019

Die Zeit der Schatten (Blut und Knochen Band 1) von John Gwynne


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Über 300 Jahre sind seit dem Sieg über die Kadoshim vergangen.  Zu Ehren von Rhin und Ghar hat Corban den Orden des strahlenden Sterns gegründet. Dieser Orden hat seinen Sitz in der alten Festung Dun Seren und hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Menschen zu helfen und sie zu beschützen. Sein Motto lautet: "Mut und Wahrheit." Obwohl die Ben-Elim und die Menschen damals vereint gegen die Dämonen gekämpft haben, hat sich mittlerweile eine tiefe Kluft zwischen den ehemaligen Rettern und den Bewohnern der verfemten Lande aufgetan. Die Ben-Elim sind arrogant, fanatisch und unnahbar. Sie unterjochen die Menschen und verlangen von ihnen einen zehnt an menschlichem Tribut, um den Kampf gegen die Kadoshim weiterzuführen. Sie sind der Meinung, dass die Menschheit in ihrer Schuld steht, weil sie damals den Kampf gewonnen haben. Die Giganten sind da wie ein Stachel in ihrem Fleisch, denn diese uralte Rasse, deren Lebenspanne hunderte von Jahren währt, erinnert sich noch an den tatsächlichen Verlauf des Krieges und an Corbans Heldentaten.
Die Giganten verhalten sich neutral einige leben in Dun Seren bei den Menschen, andere in Drassil bei den Ben-Elim. 


Olin, ein ehemaliges Mitglied des Ordens, ist vor den Ben-Elim weit in den Norden geflüchtet.  Mehrere Jahre verbringt er dort, zusammen mit seinem Sohn, in Ruhe und Frieden. Als immer mehr Menschen in seiner Umgebung verschwinden ahnt der ehemalige Krieger, dass sich dort etwas schlimmes zusammen braut. Leichen werden zerfetzt und verstümmelt gefunden, die Bewohner glauben an einen wilden Bären, doch Olin erkennt die Verletzungen als von Menschen zugefügt und schon bald entdecken sie einen Hort der Kadoshim und ihrer Anhänger. Unbemerkt von den Ben-Elim und den Menschen haben die Dämonen hier einen Kult gegründet und erstarken immer mehr. Wer soll diese Kreaturen dieses Mal aufhalten, wenn die ehemaligen Verbündeten mittlerweile Feinde sind und keine Einigkeit herrscht?
Kommentar:
Als ich hörte, dass John Gwynne die Saga um die verfemten Lande fortsetzt war ich skeptisch und erwartete einen Abklatsch der ersten Quadrologie. Aber weit gefehlt. Der Autor hat einen Zeitsprung von über 300 Jahren gemacht und das Land hat sich verändert. Am besten erkennt das der Leser in den Gedanken von Sig, als sie sich mit Graf unterhält.
Zitat Seite 326: " Die Welt hat sich verändert, seit Du geschlüpft bist, alte Krähe. Reiche sind gekommen und gegangen. Ardan, Domhain, Narvon und Cambren im Westen wurden zu einem Reich, Ardain. Und dann das Land der Getreuen, beherrscht von den Ben-Elim, das einst die Reiche von Tenebral, Helveth, Carnutan, Tebresh und Isiltir umfasste. Und trotzdem weiten die Ben-Elim ihren Einfluss immer weiter aus."
Nicht alle sind glücklich mit der Entwicklung, denn sie fühlen sich von den Ben-Elim unterjocht und in ihrer Freiheit eingeschränkt.  Die Menschen haben für die Freiheit gekämpft, um sie dann zu verlieren.  Der Weltenaufbau, die Völker und die Struktur ist so wie in "die Getreuen und Gefallenen" aber  das Leben hat sich verändert.
Die Giganten halten die Erinnerung an Corban und seine Freunde lebendig und erzählen den nachfolgenden Generationen von den Heldentaten dieser Truppe und dass sie ebenso viel zum Sieg beigetragen haben, wie die Ben- Elim. Vor allem Sig, die sich dem Orden angeschlossen hat, hegt eine tiefe Abneigung gegen  Israfil, dem Anführer der geflügelten Wesen.  Alcyon, Balur Einauge und seine Tochter Ethlinn dagegen leben in Drassil. Einiges erinnert an die ersten vier Bücher. Nachkommen von Sturm und Buddai begleiten den Waldläufer Keld auf seinen Streifzügen.  Nachfahren von Coraleen, Cywen oder Veradis sind hier wichtige politische Führer  und eine sprechende Krähe sorgt für die Nachrichtenübermittlung. Außergewöhnliche Menschen haben außerordentliche Nachkommen gezeugt. Das sind aber die einzigen Gemeinsamkeiten. Ein Zitat von Seite 28 zeigt, dass sich die Einstellung der Menschen gegenüber den angeblichen Rettern drastisch geändert hat. Olin spricht diese Sätze zu seinem Sohn Drem
 "Die Ben-Elim werden eines Tages auch hierherkommen. Aber hoffentlich eher später als früher. Sie sollen ruhig noch weitere 100 Jahre in Drassil bleiben. Und bis dahin ist jeder Tag ohne sie ein besserer Tag."
Das Buch ist wieder in Kapitel aufgeteilt, die den Hauptcharakteren gewidmet sind. Riv, eine junge Frau, die in Drassil geboren wurde und deren Traum es ist, endlich eine Weißschwinge zu werden, eine Kriegerin für die Ben-Elim. Dabei steht ihr jedoch ihr Jähzorn im Weg, der sie dazu bringt, Israfil zu attackieren.
Ebenfalls in Drassil lebt Bleda. Er kam als politische Geisel in die Festung. Ein stolzer Steppenkrieger, dem die Freiheit und der Clan über alles geht und der nun in Mauern aus Stein gefangen ist.
Weitere Kapitel sind der Gigantin Sig gewidmet, die ein Bindeglied zu den damaligen Ereignissen ist und Drem, dem Sohn von Olin, der erkennen muss, dass man der Gefahr nicht davonlaufen kann.
Gekonnt routiniert und auf eine spannende Art und Weise verknüpft der Autor die Schicksale dieser vier Charaktere. Dabei geht er sehr langsam vor, die Entwicklung erscheint  glaubhaft und der Leser fiebert regelrecht mit, da er weiß, dass diese Personen irgendwann zusammentreffen. Bleda lässt nach und nach seine starre Maske gegenüber Riv fallen. Drem sucht Kontakt zu dem ehemaligen Orden seines Vaters und Sig macht sich auf, Olin zu finden.
John Gywnne kann sprachlich absolut überzeugen und Wolfgang Thon brilliert mit der Übersetzung dieser Romane. Ein sehr schönes Zitat von Seite 258 zeigt, wie anschaulich sich der Autor in einfachen Worten auszudrücken vermag:
 " Manchmal macht das Alter einen nicht  sanft und milde. sondern hart und störrisch, presst alle Freundlichkeit aus seiner Seele."
Nachdem ich etwas zögerlich mit diesem Band begonnen habe, war ich letztendlich regelrecht begeistert und ich bin gespannt, wie der Autor die Geschichte weiterführt. Wer "die Getreuen und die Gefallenen" mochte, wird Blut und Knochen ebenfalls mögen.  Man muss die erste Saga nicht kennen, um dieser Geschichte folgen zu können. Der Autor vermeidet langatmige Rückblicke aber durch die Gedanken von Sig oder Alcyon erfahren die Leser einiges über die damaligen Ereignisse, ohne dass es für Kenner langweilig wird. Ich finde es einen tollen Kniff, dass die Giganten als Brücke der Erinnerung funktionieren und es somit Zeitzeugen der damaligen Ereignisse gibt.
Zu der Geschichte gibt es eine schöne, ausführliche Karte und ein Personenregister, das sehr hilfreich ist. Das Cover zeigt den Schildwall des Ordens sowie Olins Schwert und hat somit einen starken Bezug zur Geschichte.
Alles in allem eine gelungene Fortsetzung mit vielen überraschenden Wendungen und überzeugenden Charakteren.
Titel: Die Zeit der Schatten
Reihe: Blut und Kochen Band 1
Autor: John Gwynne
Übersetzer: Wolfgang Thon
Verlag: Blanvalet, Softcover, 575 Seiten
ISBN: 9783734161940

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