Musikalische Fluchten

27 Dezember 2018

Wild Cards - Die Cops von Jokertown Band 1 , Hrsg. George R.R. Martin


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Kurz vor seiner Pensionierung möchte der Polizist Leo Storgman noch einen Fall lösen, der ihm seit 30 Jahren auf der Seele liegt. Zwar wurde damals ein Täter verhaftet, der aber unter mysteriösen Umstanden zu Tode kam. Und Leo ist sich sicher, dass der damalige Verdächtige, der Drogendealer und Kleinganove Deedle, nicht der Täter war. Mysteriös ist es, dass ein Feuer alle Akten im Archiv vernichtet, kurz bevor sie digitalisiert werden sollen. Hat vielleicht jemand Angst, dass ein zweiter Blick auf die Akten etwas ans Tageslicht bringen könnte, das damals übersehen wurde?
Zusammen mit Wilma, einer alten Freundin, geht der Detektiv den schon fast verwischten Spuren nach. Und immer mehr wird klar, dass damals nicht korrekt ermittelt und einiges vertuscht wurde. Je näher Leo der Wahrheit kommt, desto mehr Steine werden ihm in den Weg gelegt und alte Freunde geraten unter Verdacht. 

Kommentar:
Im Jahr 1946, kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges, wurde auf der Erde ein außerirdisches Virus freigesetzt. Durch dieses Virus wird den Menschen eine Wild Card zugeordnet. Die sogenannten Asse erhalten außergewöhnliche Fähigkeiten. Einige dieser Asse haben sich zu einer Gruppe zusammengeschlossen und versuchen, überall auf der Erde in Notsituationen zu helfen. Doch die meisten der Menschen erhalten einen sogenannten Joker, was zu grässlichen Mutationen oder Verstümmelungen führt. Viele der Joker ertragen ihr Aussehen nicht und fühlen sich von den Normalos ausgegrenzt. Daher dauerte es nicht lange, bis Jokertown entstand, ein Viertel, in dem  Joker unter Ihresgleichen ein halbwegs normales Leben führen können. Viele Normalos besuchen Jokertown wegen des Kicks, hier gibt es die besten Bars und die gefragtesten Bordelle.
Um dem Schmelztiegel zu entsprechen, sind die Teams der Cops von Jokertown jeweils mit einem Joker und einem Normalo besetzt. Es gibt kaum Animositäten unter den Kollegen, man akzeptiert sich weitestgehend so, wie man ist. Allerdings verstehen viele der Kollegen die Beharrlichkeit von Leo nicht, der unbedingt den alten Rathole-Fall lösen möchte. Er weckt damit schlafende Hunde und reißt viele alte Wunden auf. Unter anderem bei seinem Freund Pater Squid, der in eine der ermordeten Kellnerinnen verliebt war.
Ich habe bisher alle Bände der Neuauflage gelesen und ich muss zugebendas mir die Bücher, die in Jokertown spielen besser gefallen als die Bände um die American Heroes. Vielleicht, weil es einfach schon zu viele Heldengeschichten gibt. Die Joker werden aus der Gesellschaft weitestgehend ausgegrenzt, Kinder werden von ihren Eltern im Stich gelassen, Eheleute von ihren Partner verlassen. Wenn zwei Joker zueinander finden, müssen sie Angst davor haben, welche Mutation ihre Kinder bekommen werden oder ob sie überhaupt überlebensfähig sind. Oft werden die grausam entstellten Menschen wegen ihrer Gefühle verhöhnt und sie verbringen ein Leben in Einsamkeit.  Man empfindet  als Leser tiefes Mitleid mit diesen Kreaturen, die teilweise kaum noch etwas Menschliches an sich haben. Ich möchte aber nicht behaupten, dass ich mich anders als die Normalos hier verhalten würde, wenn ich einem Menschen mit Tentakeln oder einem Schlangenleib gegenüberstehen würde.
Zitat Seite 34:
"Mach dir keinen Kopf, Grünschnabel. Pass einfach auf, dass das Mitleid nicht Dein Urteilsvermögen trübt. Und übertreib's nicht damit, sie alle für unschuldig zu halten, bloß weil sie Betroffene sind und du sie ekelig findest."
"Und jetzt musst Du die Joker noch als Menschen betrachten. Was bedeutet, dass sie wie die meisten Menschen Ärsche sind"
"Das ist eine verdammt deprimierende Einstellung."
"Ich bin nur realistisch. Wir sind Cops, das bedeutet, dass wir das Schlechte sehen, nicht das Gute."
Es gibt eine Kirche für Joker und in der Army gibt es eine eigene Jokerbrigade, das veranschaulicht aber einfach nur, dass die Joker überall ausgegrenzt werden. Es ist auch keine anerkannte Kirche, Pater Squid wurde exkommuniziert, geht aber nichtsdestotrotz seiner seelsorgerischen Pflichten nach. Hier ein Zitat, welches die Engstirnigkeit der Kirche verdeutlicht.
"Das sind keine Kinder, spie Bischoff Contarini aus. Das ist die Brut von Dämonen! Teufel! Ungeziefer...
Was mir an den Büchern, die in Jokertown spielen, so gut gefällt sind die kleinen Schicksale und der Humor, der immer wieder aufblitzt.
Beispiele:  Der interne Ermittler steckt im Körper einen riesigen Ratte und muss jemandem beistehen, der über einen Schlangenkörper verfügt. Natürlich muss die Schlange ihren Wunsch unterdrücken, die Ratten zu verspeisen, ebenso muss Vince seinen Fluchtinstinkt in den Griff bekommen, wenn er eine Schlange sieht.
Und wenn ein Joker sich in eine Katze verwandelt, dabei seine Kleidung zurück lässt und diese ihm bei seiner Rückverwandlung fehlt, sorgt das für einige sehr peinliche und skurrile Situationen. Urkomisch wird es, wenn die Katze auf dem Schoß eines Kollegen sitzt, der eine Verdächtige verhört und sich dann umgehend zurück in einen Menschen verwandeln muss. Es gibt viele solcher anrührenden, teil heiteren oder auch traurigen Kleinigkeiten, die das Herz dieser Geschichten ausmachen.
Was mich in diesem Band allerdings wirklich verärgert hat, waren zwei gravierende Fehler der Autoren. Zitat von Seite 367: Er hatte auch Jetboy getötet, den ersten und größten Schurken der Wild Card Ära. Jetboy war allerdings DER Held der Wild Card Ära. Er stellte sich alleine mit seinem Flugzeug dem Raumschiff in den Weg und versuchte die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Vergeblich. Er verlor bei diesem Versuch sein Leben. Ihm zu Ehren wurde ein Denkmal gebaut und der Tag seines Todes wird alljährlich gefeiert. Desweiteren ist die Rede von Jokern aus dem 19. Jahrhundert. Das Virus wurde allerdings erst Ende der vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts freigesetzt. Jedenfalls wird es so in den Bänden über die erste Generation erzählt. Mag sein, dass dies in den noch erscheinenden Bänden revidiert wird, das weiß man als Leser aber nicht und empfindet die Fehler als störend. Es darf nicht passieren, dass in einer Geschichte solch gravierenden Fehler vorkommen Sehr schön sind allerdings die Hinweise auf die erste Generation und die Asse. Gerade wenn man alle bisherigen Bände kennt findet man viele Parallelen und Zusammenhänge. Ich kann zwischen den einzelnen Kapiteln der Autoren keinen Qualitätsunterschied feststellen. Vielleicht liegt es an der guten Übersetzung, dass sich dieses Buch, welches sich aus unterschiedlichen Geschichten zusammensetzt, so flüssig lesen lässt.
Die Cops von Jokertown ist ein in sich abgeschlossener Band und vermittelt einen guten Eindruck dieser Welt und ihrer Bewohner. Es ist unsere Welt und wir fühlen uns heimisch, auch wenn dort einiges etwas anders verlaufen ist. New York ist immer noch New York. Es regieren auch dort Neid und Missgunst aber auch Liebe und Vertrauen. Gerade bei Michael, einem Normalo, der sowohl eine Jokerin als auch ein Ass liebt, kommen diese Gefühle stark zum Ausdruck.
Für mich eines der besten Bücher aus der Wild Cards Reihe.Vom Zeitraum her würde ich es zwischen der ersten und zweiten Generation ansiedeln, auch wenn sich hier Hinweise auf die American Heroes finden lassen.
Velen Dank für das Rezensionsexemplar. Die Rezension spiegelt meine eigene, subjektive Meinung wieder und ist keine Werbung für den Verlag oder das Buch!
Titel: Die Cops von Jokertown Band 1
Reihe: Wild Cards
Autor: Diverse, Hrsg. George R.R. Martin
Verlag: Penhaligon, TB, 667 Seiten
ISBN: 9783764532147

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